Informationspflicht des Jagdveranstalters in Bezug auf die Anlieger
Die mit der Ausübung der Jagd verbundenen Schussgeräusche lösen nicht ohne weiteres unter Verkehrssicherungsgesichtspunkten eine vorherige Informationspflicht des Jagdveranstalters in Bezug auf die Anlieger aus.
(Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 15.01.2013, I-9 U 84/12)
Aus den Urteilsgründen der Berufung:
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Entgegen der Ansicht des Landgerichts fehlt es schon an einer bestehenden Verkehrssicherungspflicht, die von dem Beklagten im Vorfeld oder bei Durchführung der Jagd in Bezug auf die Anlieger zu beachten gewesen wäre. Insbesondere war der Beklagte nicht verpflichtet, die Anlieger (Eigentümer und Pächter) über die bevorstehende Treibjagd zu unterrichten.
Grundsätzlich ist derjenige, der eine Gefahrenlage für andere schafft, verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Daher reicht es aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise – hier der Beklagte als Ausrichter der Jagd – für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm nach den Umständen zumutbar sind.
Von diesen Grundsätzen ausgehend erfordern die konkreten Umstände des Einzelfalls im Hinblick auf die Anlieger keine Schutzmaßnahmen dergestalt, dass diese von dem Beklagten als Ausrichter der Treibjagd über die bevorstehende Jagd – und zwar wegen der damit verbundenen Schussgeräusche – vorab hätten informiert werden müssen. Schussgeräusche stellen für sich genommen keine potentielle Gefahr für die Rechtsgüter anderer dar, sondern sind vielmehr „waldtypische“ Geräuschkulisse (vgl. BGH, MDR 2011, 422).
Der Bundesgerichtshof hat in der vorgenannten Entscheidung hierzu wie folgt ausgeführt: „Im Allgemeinen begründen Schussgeräusche für sich keine potentielle Gefahr für Rechtsgüter Dritter. Es handelt sich um Lärmbeeinträchtigungen, mit denen allgemein in Waldgebieten gerechnet wird und die hinzunehmen sind. Die Warnpflicht vor solchen Geräuschen, die individuell sehr unterschiedlich aufgenommen werden, wäre mit einem praktischen Aufwand auch nicht erfüllbar. Die Wirkung von Schussgeräuschen auf Menschen und Tiere ist von vornherein kaum abschätzbar. Sie ist deshalb nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen schadensträchtig, so wenn ein Schuss in ummittelbarer Nähe des Reiters abgegeben wird.“
Solche besonderen Umstände liegen hier nicht vor, so dass eine ausnahmsweise Verpflichtung des Beklagten, die Anlieger über die bevorstehende Jagd und die damit verbundenen Schussgeräusche zu informieren, nicht bestanden hat. Dabei kommt es für die Beurteilung dieser Frage entscheidend darauf an, ob solche besonderen Umstände – nämlich das Abgaben von Schüssen in unmittelbarer Nähe weidender Tiere – nach der Jagdkonzeption des Beklagten auszumachen sind oder nicht.
Die von dem Kläger genutzte Weide, auf der sich die Pferde aufgehalten haben sollen, lag anders als in dem der Entscheidung des OLG Düsseldorf zugrundeliegenden Sachverhalt nicht innerhalb des bejagten Waldgebiets (U.v. 28.01.2004 – 15 U 66/01; juris). Sie grenzte auch nicht unmittelbar daran, sondern lag – wie mit den Parteien im Senatstermin nach dem vorangegangenen Hinweis in der Terminsverfügung erneut erörtert – westlich davon in einem Abstand von mindestens 100 Metern. Auch wurde das Wild – so das Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme – nicht von Ost nach West auf die Weide zu, sondern von Nord nach Süd getrieben, wobei die Vorstehschützen am südlichen und die Durchgehschützenam nördlichen Ende des Waldes standen, wie es der Beklagte bei seiner Anhörung nach § 141 ZPO vor dem Landgericht geschildert hat und wie es vom ZeugenW bestätigt worden ist.
Dem Konzept der Jagd nach waren zwar Schussgeräusche zu erwarten. Dass die Schüsse aber in unmittelbarer Nähe der weidenden Pferde abgegeben würden, was nach der Entscheidung des OLG Saarbrücken vom 30.03.1990, BeckRS 2011, 15275, bei einer Entfernung von 30 Metern anzunehmen ist, lässt sich unter Hinweis auf die obigen Entfernungsangaben nicht feststellen.
Nach dem Jagdkonzept waren die zu erwartenden Schussgeräusche als solche für die in der Nähe des Jagdgebiets gelegene Weide nicht ungewöhnlich, sondern vielmehr typisch und begründeten daher keine Verpflichtung des Beklagten als Ausrichter der Jagd, die Anlieger auf die bevorstehende Jagd hinzuweisen.
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Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 15.01.2013, I-9 U 84/12
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 04 O 1/08