Fehlerhafte Ankaufsuntersuchung berechtigt nicht zum Schadensersatz gegen Tierarzt
Pferdekauf, Ankaufsuntersuchung, Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, Haftungsbegrenzung
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 29.05.2013, AZ. 12 U 178/12
Leitsätze der Gerichtsentscheidung:
1. Vertragspartei einer tierärztlichen Ankaufsuntersuchung eines Pferdes wird der im Vertrag nicht namentlich benannte Käufer nicht schon deshalb, weil in erster Linie er an einer korrekten Ermittlung des Gesundheitszustandes des Pferdes interessiert ist.
2. Die Haftung des Gutachters für ein unrichtiges Gutachten ergibt sich nicht aus § 311 Abs. 3 BGB, sondern weiterhin aus den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.
3. Ob und welche Dritte die Vertragsparteien in den Schutzbereich des von ihnen geschlossenen Vertrages einbeziehen, unterliegt im Rahmen der Vertragsfreiheit grundsätzlich ihrer freien Disposition. Auch eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgesehene Haftungsbeschränkung, nach der die Haftung des Verwenders gegenüber nicht namentlich im Vertrag genannten Dritten ausgeschlossen ist, begegnet deshalb keinen rechtlichen Bedenken.
…
Aus den Urteilsgründen:
… Gewährleistungsansprüche als Vertragspartner des Beklagten scheiden deshalb aus, weil der Zeuge C2 im eigenen Namen und nicht als Vertreter der Klägerin den Vertrag mit dem Beklagten geschlossen hat. Das ergibt sich nicht nur aus der Aussage des Zeugen, sondern auch schon aus dem Vertrag selbst, in dem der Zeuge als Auftraggeber und die Klägerin nicht einmal namentlich erwähnt ist. Dass in erster Linie sie an einer korrekten Ermittlung des Gesundheitszustandes des Pferdes interessiert ist, ist für die Frage, wer Vertragspartner geworden ist, nicht von Belang.
Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 311 Abs. 3 BGB. Danach haftet ein Dritter, dessen Verhalten die Entscheidung für den Vertragsschluss beeinflusst hat, nur dann, wenn er ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Vertragsschluss hat. Die Haftung des Gutachters für ein unrichtiges Gutachten ergibt sich nicht aus § 311 Abs. 3 BGB, sondern weiterhin aus den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter (vergleiche Palandt-Grüneberg, BGB, 42. Auflage 2013, § 311 Rn. 60 ff.).
Auch Ansprüche aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter scheiden aus. Ein solcher Vertrag mit Schutzwirkung setzt voraus, dass
– der Dritte bestimmungsgemäß mit der geschuldeten Leistung in Berührung kommt und den Gefahren einer Pflichtverletzung ebenso ausgesetzt ist wie der Gläubiger selbst,
– die Drittbezogenheit seiner Leistung für den Schuldner erkennbar ist,
– der Vertragspartner ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages hat und
– der Dritte schutzbedürftig ist.
Die erstgenannte Voraussetzung ist zwar gegeben. An einer korrekten Ermittlung des Gesundheitszustandes des Pferdes ist in erster Linie der potentielle Käufer interessiert, der sicher gehen will, dass das Tier nicht krank und seinen Preis wert ist. Auch erscheint dem Senat die Erkennbarkeit der Drittbezogenheit seiner Leistung für den Beklagten schon deshalb eindeutig, weil der schriftliche Vertrag mit „Vertrag einer Kaufuntersuchung eines Pferdes“ überschrieben ist und den Zeugen C2, der von Beruf Pferdehändler ist, als Verkäufer ausweist. Es fehlt jedoch an den beiden letztgenannten Voraussetzungen.
a) Aus dem Schutzbereich des Vertrages des Zeugen C2 mit dem Beklagten ist die in diesem Vertrag nicht namentlich erwähnte Klägerin vereinbarungsgemäß ausgeklammert worden. Nach den in den Vertrag einbezogenen AGB des Beklagten ist dessen Haftung gegenüber im Vertrag namentlich nicht aufgeführten Dritten ausdrücklich ausgeschlossen. Eine solche Haftungsbegrenzung ist rechtlich unbedenklich. Ob und welche Dritte sie in den Schutzbereich des von ihnen geschlossenen Vertrages einbeziehen, unterliegt im Rahmen der Vertragsfreiheit grundsätzlich der freien Disposition der Vertragsschließenden. AGB-rechtliche Bedenken gegen die Zulässigkeit einer entsprechenden Vereinbarung ergeben sich nicht. Durch die Regelung wird nicht die Kardinalpflicht zur Erstellung eines inhaltlich richtigen Gutachtens als solche aufgehoben oder inhaltlich eingeschränkt, sondern lediglich der Kreis derjenigen Personen begrenzt, denen gegenüber gehaftet werden soll. Daran, dass die Haftung gegenüber Dritten auf die im Vertrag ausdrücklich benannten Personen beschränkt wird, hat der Beklagte ein schutzwürdiges Interesse. Ohne diese Begrenzung ist er der Gefahr der Inanspruchnahme gegenüber einem nicht überschaubaren Personenkreis ausgesetzt. So ist denkbar, dass das Pferd nach einer Rückabwicklung des ersten Kaufvertrages erneut unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Ankaufsuntersuchung des Beklagten veräußert wird und deshalb mehrere Erwerber Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten geltend machen. Auch kann sich die Konstellation ergeben, dass mehrere Dritte den Beklagten dafür verantwortlich machen, dass sie wegen eines fehlerhaft negativen Untersuchungsbefundes von einem für sie günstigen Kauf Abstand genommen haben.
b) Zu verneinen ist auch die Schutzbedürftigkeit der Beklagten. Diese entfällt regelmäßig, wenn dem Dritten eigene vertragliche Ansprüche zustehen, die denselben oder zumindest einen gleichwertigen Inhalt haben, wie diejenigen Ansprüche, die ihm bei einer Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrages zuzubilligen wären. Unter diesem Gesichtspunkt hat das OLG Celle (RdL 2010, 262-263) die Verpflichtung des Dritten angenommen, vorrangig den Verkäufer nach § 437 BGB in Anspruch zu nehmen (im Ergebnis ebenso LG Verden RdL 2008, 153-154). Dem folgt der erkennende Senat.
Muss – wie hier angesichts der kaufvertraglichen Gleichsetzung der vertraglich geschuldeten gesundheitlichen Beschaffenheit des Tieres mit den insoweit vom Beklagten getroffenen Feststellungen – der Verkäufer als Vertragspartner der Klägerin im Ergebnis für die Richtigkeit des von ihm in Auftrag gegebenen Gutachtens einstehen, so ist kein Bedürfnis ersichtlich, der Klägerin unmittelbare Ansprüche gegenüber dem Beklagten zuzubilligen, der nicht ihr Vertragspartner, sondern derjenige des Verkäufers ist.
Die Schutzbedürftigkeit besteht auch nicht deshalb, weil Ansprüche gegen den Verkäufer inzwischen wegen Verjährung nicht mehr durchsetzbar sind. Abgesehen davon, dass – was im vorliegenden Fall keiner abschließenden Beurteilung bedarf – die Frage der Schutzbedürftigkeit nach dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu beurteilen sein dürfte, hat die Klägerin nach eigenem Vorbringen bereits in unverjährter Zeit deutliche Mangelsymptome festgestellt, dennoch aber die Verjährungsfrist verstreichen lassen. Jedenfalls dies lässt ihre Schutzbedürftigkeit entfallen.
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 29.05.2013, AZ. 12 U 178/12
Vorinstanzen:
Landgericht Bochum, Urteil vom 08.11.2012, AZ. 2 O 521/11